Whistleblowing – das brauchen doch nur Konzerne und börsennotierte Unternehmen

Hinweisgebersysteme sind für alle Unternehmen ab 50 Beschäftigten / Behörden und öffentliche Verwaltungen verpflichtend

Im Oktober 2019 haben die EU-Minister eine Richtlinie verabschiedet, welche die Mitgliedsstaaten zur Beachtung und Umsetzung der nachfolgenden Neuerungen zwingt:

  1. Alle Unternehmen ab 50 Beschäftigten sind verpflichtet, ein Whistleblowersystem einzuführen
  2. Das Hinweisgebersystem besteht aus einem dreigliedrigen Meldesystem, bestehend aus einem internen Meldekanal, einem externen Meldekanal und letztendlich den öffentlichen Meldekanälen, wie zum Beispiel Presse und sonstige Medien
  3. Der interne Meldekanal ist vom Unternehmen bereitzustellen
  4. Die Richtlinie soll Whistleblower (Hinweisgeber) ermutigen, zunächst den internen Meldekanal zu nutzen
  5. Der Hinweisgeber / Whistleblower ist innerhalb von 3 Monaten (ab Eingang der Meldung) darüber zu informieren, welche Abhilfemaßnahmen ergriffen wurden
  6. Die Vertraulichkeit der Meldekanäle muss auf jeden Fall gewährleistet sein (§ 5 Nr. 2 GeschGehG schützt den Hinweisgeber)

Ein kurzer Exkurs zu den Möglichkeiten des Hinweisgebersystems – interne oder externe Möglichkeiten nutzen?

Als Unternehmen haben Sie grundsätzlich zwei Möglichkeiten ein Hinweisgebersystem einzurichten und Ihren Mitarbeitern anzubieten, bevor diese sich womöglich direkt an Strafverfolgungsbehörden und / oder die Presse wenden.

Bei einem internen Whistleblowingsystem gehen die Hinweise an den Compliance-Beauftragten oder die interne Revisionsabteilung. Hier sollte sichergestellt sein, dass aus Gründen der Vertraulichkeit der Zugriff auf die Hinweise auf einen stark begrenzten Personenkreis sichergestellt ist.

Bei einem externen Hinweisgebersystem gehen die Meldungen an eine vom Unternehmen benannte Stelle – dies kann ein externer Compliance-Officer, ein Rechtsanwalt oder ein Ombudsmann sein.

Die Vor- und Nachteile einer internen oder externen Lösung sind vielfältig. Bei einer externen Lösung haben Sie den Vorteil, dass manche Hinweisgeber sich eher trauen einen Missstand zu melden, da eine Beeinflussung durch unternehmensinterne Führungskräfte ausgeschlossen ist. Während bei einem internen Whistleblowing, die zuständigen Personen mit dem Unternehmen und seinen Prozessen und Eigenheiten besser vertraut sind.

Egal, für welche Möglichkeit Sie sich entscheiden – wichtig ist die fachliche Qualifikation der Personen, welche die Hinweise bearbeiten. Es nutzt Ihnen nichts, diese verantwortungsvolle Aufgabe einem nicht entsprechend ausgebildeten Mitarbeiter als zusätzliche Aufgabe zu übergeben. Ein funktionierendes Hinweisgebersystem kann sich – im Rahmen mit anderen Compliance Maßnahmen – nicht nur haftungsreduzierend auf Ihr Unternehmen auswirken, sondern schützt Ihr Unternehmen vor eventueller Rufschädigung und Ermittlungen der Behörden, weil Mitarbeiter lieber direkt an die Behörden und Presse melden, als das eigene Whistleblowing zu nutzen.

Und wie setze ich das als Unternehmen um?

Um den Hinweisgebern auch die Möglichkeit zu bieten, anonym zu melden, empfehle ich die Einrichtung einer 0800-Nummer UND die Nutzung einer Kommunikationsplattform, zu der nur die entsprechenden Personen Zugriff haben.

Die Vorteile der Kommunikationsplattform:

  1. Die übermittelten Informationen sind besonders verschlüsselt und gesichert
  2. Mitarbeiter haben die Möglichkeit anonym zu melden. Manche Anbieter bieten hier sogar eine Chat-Funktion an
  3. Sie können damit – wenn erforderlich – verschiedene Sprachen abdecken
  4. Einige Plattformen bieten ein Case Management an, was eine Arbeitserleichterung für die Whistleblowing- Beauftragten darstellt
  5. Für die externe und interne Hinweisgeber-Lösung Ihres Unternehmens geeignet

Wichtiger Hinweis: Seit der Anpassung der oben genannten Richtlinie haben Unternehmen zwei Jahre Zeit für die Umsetzung … Ihre Frist läuft also Ende 2021 ab. Berücksichtigen Sie bitte, dass die Einführung eines Whistleblowing-Systems nicht von einem Tag auf den anderen vollzogen werden kann und Vorarbeiten benötigt. Es nutzt Ihnen auch nichts, eine „Vertrauensperson“ im Unternehmen zu benennen, zu der die Mitarbeiter gehen können – dies erfüllt nicht die Vorgaben der EU.

Damit ermutige ich aber meine Mitarbeiter zum Denunziantentum!

Ein häufig vorgebrachtes Argument … das leider keines ist. Ich bin ehrlich: Wenn ich dieses „Argument“ höre, frage ich mich als erstes, ob mein Gegenüber (in der Regel die Geschäftsführung) etwas zu verbergen hat.

Befragungen von Unternehmen, die bereits ein Whistleblowing-System haben, berichten, dass es zu gut wie keinem Denunziantentum gekommen ist. Dafür ist die Hemmschwelle bei Mitarbeitern zu hoch, um einen unbegründeten Vorfall zu melden. Und selbst wenn das mal geschehen sollte, hält sich dies im Promillebereich auf und wird sich ja dann als unbegründete Verdachtsmeldung herausstellen. Das Schlimmste, was dann geschehen ist, ist das Kapazitäten des Compliance-Beauftragten für die interne Ermittlung kurzzeitig gebunden war.

Seien Sie ehrlich zu sich: Glauben Sie wirklich, dass Sie so viele unredliche Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen haben? Wenn Sie das denken, haben Sie ein ganz anderes Problem, das schnellstens behoben werden sollte.

Eine Akzeptanz des Whistleblowings erreichen Sie am Besten mit einer vertrauensvollen Unternehmenskultur und der frühzeitigen Einbindung der Abteilungen und Mitarbeiter.

Das kostet mich doch nur wieder Geld – welche Vorteile habe ich davon?

  1. Sie kommen Ihrer rechtlichen Verpflichtung nach
  2. Sie schützen Ihr Unternehmen und die Beschäftigten
  3. Sie haben ein Früherkennungssystem bei Regel- und Gesetzesverstößen
  4. Sie minimieren das Risiko von Reputations- und wirtschaftlichen Schäden
  5. Sie haben einen nicht zu unterschätzenden Abschreckungseffekt für potentielle „Täter“
  6. Es wirkt sich strafmildernd bei Ermittlungen der Behörden aus
  7. Sie stärken damit die Vertrauenskultur im Unternehmen
  8. Sie erfüllen die Zertifizierungsanforderungen (ISO 19600 und IDW PS 980 zum Beispiel)

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