Dr. Thomas Altenbach, CEO und Rechtsanwalt der LegalTegrity GmbH, ist ein Compliance-Experte mit einer Leidenschaft für Integrität und Innovation. Als Anwalt im Topmanagement internationaler Konzerne sowie als Berater mittelständischer Unternehmen wurde er zu einem der gefragtesten Compliance-Spezialisten und Mitglied einer UN-Expertengruppe zur Korruptionsvermeidung. Sein Interesse an Digitalisierung in Verbindung mit Compliance und Mittelstand mündete in der Gründung des Legal Tech Unternehmens LegalTegrity.
Integrität, Verantwortungsbewusstsein, Respekt, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Transparenz … eine „lange Liste“ an Grundprinzipien, die im Zusammenhang mit Ethik und Unternehmensethik genannt werden.
Zunächst die Frage an Sie: sehen Sie diese Prinzipien im Privatleben genauso angesiedelt, wie im Unternehmen? Wo würden Sie unterscheiden und aus welchen Gründen?
Für mich persönlich sind meine eigenen ethischen Grundprinzipien auch die meines Unternehmens. Dazu muss ich aber sagen: das Unternehmen habe ich selbst gegründet. Daher gibt es schon eine wichtige Unterscheidung. Meine ethischen Werte gelten nur für mich, im Unternehmen muss es aber einen Konsens geben, welche Form von Unternehmenskultur wir leben wollen, und welche Werte dazu gehören. Entsprechend reicht es nicht, diese irgendwo auf eine Tafel zu schreiben, sondern es muss Mechanismen geben, die sicherstellen, dass diese Werte von allen getragen und täglich gelebt werden.
Warum sollten Unternehmen ethisch handeln?
Neben moralischen Gründen sehe ich ein ganz entscheidendes Argument: es gibt eine Vielzahl von Studien, die belegen, dass nachhaltige und ethische Unternehmensführung mittel- und langfristig zu einem erfolgreicheren und damit auch wertvolleren Unternehmen führt. Aktuell wird die ESG-Performance für Unternehmen immer wichtiger und sie werden auch von Investoren und Kreditgebern danach bewertet. Ein weiterer Grund für den Erfolg ethischer Unternehmensführung ist Mitarbeiterbindung: wenn Mitarbeitende eine klare Vorstellung von den Werten und Zielen des Unternehmens haben und diese teilen, bleiben sie hochmotiviert lange im Unternehmen.
Halten Sie es für wichtig, dass Ethik bereits in der Schule und auch den Universitäten gelehrt wird? Welchen Effekt denken Sie, wird dies langfristig gesehen auf das berufliche und private Miteinander haben?
Ich denke, dass die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen in der Schule und Universität tatsächlich sinnvoll ist, um zum Beispiel die kritische Denkfähigkeit zu schärfen und Dinge zu hinterfragen. In meiner Ausbildung sind viele ethische Fragen im Religions- und Geschichtsunterricht vermittelt worden. Da ersteres Fach heute nur noch von kleineren Teilen der Klassen gemeinsam besucht wird, halte ich das Fach Ethik in den Schulen für unbedingt erforderlich. Auch um selbst zu lernen: was sind eigentlich meine Werte? Wofür möchte ich stehen?
Wenn Sie sich etwas zu ethischen Grundwerten und Geschäftsprinzipien in Unternehmen wünschen dürften: was wäre das?
Ich sehe aktuell eine Entwicklung, in der immer mehr Unternehmen verstehen, dass ethische Geschäftsprinzipien die Grundlage für langfristigen Unternehmenserfolg sind. Das finde ich zunächst einmal positiv. Was mir aktuell teilweise noch fehlt, ist Ehrlichkeit und Transparenz: wie ethisch sind wir wirklich schon? Denn nur weil man bestimmte ethische Ziele hat, heißt das noch nicht, dass diese Werte auch wirklich gelebt werden. Das Messen von Indikatoren für ethisches Handeln von Unternehmen würde da Transparenz schaffen.
Wie ist Ihre Erfahrung mit ethischen Standards in Unternehmen? Und wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Umsetzung?
Ich habe lange in großen Konzernen gearbeitet und kann daher aus Erfahrung sagen, dass die Einhaltung ethischer Standards keine Selbstverständlichkeit ist. Meiner Meinung nach muss kritisches oder sogar unethisches Verhalten noch stärker thematisiert werden. Ein Klima des Vertrauens ist nicht in allen Unternehmen gegeben, und das führt dazu, dass wichtige Themen nicht angesprochen werden. Hier liegt meines Erachtens der Schlüssel: Kommunikation. Und zwar immer wieder und anhand von konkreten Beispielen. Wie eingangs schon erwähnt: Unternehmenswerte müssen nicht nur aufgeschrieben, sondern auch immer wieder einem Realitätscheck unterzogen werden.
Welche Fähigkeiten sind von Führungskräften und Berater*innen gefordert, um ein Management zu fördern, das ethische Fragen berücksichtigt?
An erster Stelle steht für mich die Fähigkeit, Unternehmenskultur als aktiven Prozess zu gestalten und Unternehmenswerte vorzuleben. Mitarbeitende schauen immer, wie sich Führungskräfte verhalten. “Tone from the Top” ist daher extrem wichtig. Dazu kommt die regelmäßige und offene Kommunikation über die Art und Weise, wie zusammengearbeitet werden soll. Feedbackkultur muss ein Teil der täglichen Arbeit sein, und hier komme ich wieder zurück zur Basis: Vertrauen. Ohne Vertrauen untereinander wird es nicht möglich sein, wertebasiert zusammenzuarbeiten.
Wie stehen Sie zu folgender Aussage:“ unternehmerischer Erfolg stellt sich nur unter der Beachtung eines ethischen Handelns ein.“
Das würde ich sofort unterschreiben. Unethisches Handeln wird – früher oder später- immer zu Problemen führen. Meine Erfahrung ist, dass gerade die jüngeren Generationen genau hinschauen, wofür Unternehmen stehen. Das hat zur Folge, dass sich Arbeitgeber immer genauer überlegen müssen, welche Werte sie ihrem Handeln zugrunde legen.
Zu guter Letzt eine persönliche Frage: haben Sie eine goldene Regel was das ethische Handeln im Beruf und Privatleben angeht? Und welche Erfahrungen haben Sie bisher damit gemacht?
Meine goldene Regel: Integrität ist nicht verhandelbar. Ich habe im Laufe meines Lebens (sowohl privat als auch beruflich) die Erfahrung gemacht, dass ich meine Entscheidungen am besten auf Basis meiner eigenen Werte treffe – auch wenn dies manchmal zur Folge hat, dass es zu größeren Meinungsverschiedenheiten oder sogar beruflichen Trennungen kommt. Am Ende ist das für mich der aufrichtigste Weg.
Ihr persönliches Schlusswort:
In der Umsetzung von ethischen Prinzipien gibt es kein “one size fits all”. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass in der Geschäftsleitung jemand für das Thema Ethik eindeutig verantwortlich sein sollte.
Vielen Dank, Herr Dr. Altenbach für dieses sehr interessante Interview!