Interview mit Prof. Stephan Convent zum Thema “Umsetzung ethischer Grundsätze“

Professor Stephan Convent ist Vizepräsident bei der DIPLOMA-Hochschule und Dekan des Fachbereichs Wirtschaft und hat eine Professur für Sicherheitsmanagement.

  1. , Verantwortungsbewusstsein, Respekt, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Transparenz … eine „lange Liste“ an Grundprinzipien, die im Zusammenhang mit Ethik und Unternehmensethik genannt werden.

Zunächst die Frage an Sie: sehen Sie diese Prinzipien im Privatleben genauso angesiedelt, wie im Unternehmen? Wo würden Sie unterscheiden und aus welchen Gründen?

Grundsätzlich stimme ich zu. Die Antwort auf Ihre Frage hängt jedoch stark davon ab, wie Sie im Kern Ethik und Unternehmensethik definieren. Es wäre daher interessant, ausführlicher über das Verhältnis zwischen Markt und Moral, ökonomische Vernunft und normative Betriebswirtschaftslehre zu diskutieren. Auf diese Weise könnten wir grundlegende Gemeinsamkeiten und Widersprüche im Geschäfts- und Privatleben reflektieren.

Freundlicherweise gaben Sie eine Orientierung über Prinzipien, die ich grundsätzlich in beiden Kontexten sehe: Integrität, Verantwortungsbewusstsein, Respekt, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Transparenz sind gleichermaßen für ethisches Verhalten sowohl im persönlichen als auch im unternehmerischen Bereich grundlegend. Sie sind unerlässlich für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg sowie den Aufbau stabiler zwischenmenschlicher Beziehungen. Allerdings variiert ihre Anwendung realistischerweise je nach Umgebung.

Verantwortungsbewusstsein im Privatleben bedeutet, die Konsequenzen der eigenen Handlungen zu erkennen, während Unternehmen nicht nur für Gewinne, sondern u. a. auch für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt verantwortlich sein sollten. Gerechtigkeit im persönlichen Leben beinhaltet faire Handlungen gegenüber Mitmenschen, während Unternehmen u. a. faire Arbeitspraktiken und Chancengleichheit für ihre Mitarbeiter gewährleisten sollten. Nachhaltigkeit im persönlichen Leben bedeutet, eigene Ressourcen verantwortungsvoll zu nutzen, um die Bedürfnisse der Gegenwart zu erfüllen, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen. Unternehmen sollten die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Aktivitäten berücksichtigen und nachhaltige Geschäftspraktiken fördern. Somit variiert der Fokus im Privaten und im Business.

  • Warum sollten Unternehmen ethisch handeln?

Der überwiegende Teil des wissenschaftlichen Diskurses betont die Notwendigkeit für Unternehmen, ethisch zu handeln. Allerdings existieren unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Ziele ethisches Handeln erreichen soll. Gemäß der Friedman-Doktrin besteht das ethische Ziel eines Unternehmens darin, den Shareholder Value zu maximieren. Im deutschsprachigen Raum setzte der Diskurs im Vergleich zum angelsächsischen Diskurs mit Persönlichkeiten wie Hohmann, Ulrich, Steinmann oder Löhr später ein, ist jedoch nicht weniger vielfältig. Hierbei lassen sich verschiedene Ansätze wie die Integrative Wirtschaftsethik, den Republikanischen Ansatz, den Ordnungstheoretischen Ansatz, die Governanceethik, die Kulturalistische Ethik oder den Ordonomischen Ansatz identifizieren.

Persönlich wurde ich durch meinen Doktorvater Albert Löhr stark vom Republikanischen Ansatz geprägt. Dieser strebt im Kern danach, eine friedensstiftende Wirkung bei Problemen innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu erzielen und sieht sich in der Tradition der Erlangener Schule. Entsprechend soll die Unternehmensethik Konflikte, die durch unternehmerisches Handeln entstehen, entschärfen und begründete Handlungsalternativen entwickeln. Dabei dient das Gemeinwohl, definiert in republikanischer Tradition im freien Dialog als Einigungsverfahren von gleichrangigen Bürgern, stets als Referenzpunkt. Der Republikanische Ansatz betrachtet sich daher als konstitutive Ergänzung des Rechts.

Unabhängig von meinen persönlichen Blickwinkel ist Ethik grundlegend für Unternehmen, da sie eine Vielzahl von Vorteilen bietet, die sich sowohl auf die moralische Integrität als auch auf den geschäftlichen Erfolg auswirken. Ein ethisches Verhalten führt dazu, dass Unternehmen eine positive Reputation aufbauen und das Vertrauen von Kunden, Mitarbeitern und der breiteren Öffentlichkeit gewinnen. Diese Vertrauensbasis ist entscheidend, um langfristige Beziehungen aufzubauen und einen stabilen Kundenstamm zu gewährleisten. Unternehmen, die ethische Werte und Praktiken verfolgen, haben oft loyalere Kunden, da diese sich mit den Unternehmenswerten identifizieren. Gleichzeitig ziehen ethische Unternehmen talentierte Mitarbeiter an und können diese langfristig binden, da ein positives Arbeitsumfeld und gemeinsame Wertvorstellungen die Mitarbeiterzufriedenheit steigern.

Ethik trägt auch zur Risikominimierung bei, indem die Einhaltung ethischer Standards das Risiko von rechtlichen Konsequenzen und finanziellen Verlusten durch Nichteinhaltung von Vorschriften reduziert, wie es beispielsweise im Fall der Siemens-Korruptionsaffäre deutlich wurde. Investoren bevorzugen daher oft Unternehmen, die ethische Werte integrieren, da diese häufig stabiler und langfristig erfolgreicher sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist der staatliche Pensionsfonds Norwegens, dessen Anlagerichtlinien von ethischen Investitionsprinzipien geprägt sind. Gleichzeitig fördert ethisches Handeln ein positives Verhältnis zu Stakeholdern, was finanzielle Unterstützung und eine verbesserte Zusammenarbeit ermöglicht.

  • Halten Sie es für wichtig, dass Ethik bereits in der Schule und auch den Universitäten gelehrt wird? Welchen Effekt denken Sie, wird dies langfristig gesehen auf das berufliche und private Miteinander haben?

Die Integration von ethischer Bildung in Lehrpläne ermöglicht es Schülern und Studenten, ein tieferes Verständnis für moralische Prinzipien zu entwickeln und die Bedeutung ethischen Verhaltens in verschiedenen Lebensbereichen zu erfassen. Daher haben wir im Zuge der letzten Akkreditierung die Lehrveranstaltung „Wirtschaftsethik“ in die Studienpläne von Fachrichtungen wie Betriebswirtschaft oder Sicherheitsmanagement an der DIPLOMA-Hochschule aufgenommen. Dieses Fach befasst sich mit ethischen Fragen und Dilemmas im wirtschaftlichen Kontext und lehrt die Studierenden, wie ethische Grundsätze auf wirtschaftliche Entscheidungen und Unternehmensführung angewendet werden können. Es zeigt sich, dass auch die Studenten an ethischen Fragestellungen sehr interessiert sind, bspw. dann, wenn wir gemeinsam Ferdinand von Schirachs „Terror – Ihr Urteil“, das im Kern auf dem Straßenbahndilemma oder auf dem Unterschied zwischen Utilitarismus und Deontologischer Ethik aufbaut, zu Hause vorbereitet haben und dann in der Vorlesung intensiv diskutieren.

Die Integration von Ethik in das Wirtschaftsstudium trägt dazu bei, dass Absolventen nicht nur fachlich kompetent sind, sondern auch ethische Überlegungen in ihre beruflichen Entscheidungen einbeziehen können. Studierende lernen, dass wirtschaftliche Entscheidungen nicht nur ökonomische, sondern auch ethische Konsequenzen haben können. Sie werden für die sozialen und moralischen Aspekte ihrer zukünftigen Entscheidungen im Geschäftsleben sensibilisiert. Durch das Verständnis ethischer Prinzipien können zukünftige Führungskräfte und Unternehmer verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen und eine nachhaltige, ethische Unternehmenskultur fördern.

Insgesamt ist die Einbindung von Wirtschaftsethik in den Studienverlaufsplan an der DIPLOMA-Hochschule im Fachbereich Wirtschaft ein wichtiger und erfolgreicher Schritt, um zukünftige Fachkräfte darauf vorzubereiten, ethische Fragen zu erkennen und angemessen in ihren beruflichen Kontexten zu handeln.

  • Wenn Sie sich etwas zu ethischen Grundwerten und Geschäftsprinzipien in Unternehmen wünschen dürften: was wäre das?

Die ethischen Grundwerte und Geschäftsprinzipien, die ich mir von Unternehmen wünschen würde, umfassen hauptsächlich Integrität und Ehrlichkeit als fundamentale friedenstiftende Grundlagen. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass Unternehmen transparent und aufrichtig handeln, beginnend von der Führungsebene bis hin zur gesamten Belegschaft. Zusätzlich ist ein starkes Verantwortungs-bewusstsein gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt unverzichtbar. Unternehmen sollten daher nachhaltige Praktiken implementieren und sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sein, um positive Auswirkungen auf die Gemeinschaft und die Umwelt zu erzielen. Wenn Unternehmen diese ethischen Grundwerte als integralen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur betrachten und in ihren täglichen Betriebsabläufen umsetzen, können sie nicht nur langfristigen Erfolg erzielen, sondern auch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Welt ausüben.

  • Wie ist Ihre Erfahrung mit ethischen Standards in Unternehmen? Und wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Umsetzung?

Ich habe in meinem beruflichen Leben Erfahrungen im europäischen, afrikanischen und asiatischen Kontext machen dürfen. Unterschiedliche Kulturen fließen in die Ausgestaltung der ethischen Standards ein, wobei ethische Standards bisweilen fest in der Geschäftskultur verankert sind. Hier legen Unternehmen großen Wert auf Integrität, Transparenz und Verantwortungsbewusstsein. Es gibt klare Richtlinien und Mechanismen zur Einhaltung ethischer Standards, die von der Unternehmensführung bis zu den Mitarbeitern durchgesetzt werden. Dennoch können ethische Standards unterschiedlich interpretiert werden. Hier bedarf es kultureller Sensibilität. Es wird schwierig werden, im interkulturellen Kontext eine gleiche Definition von ethischen Standards zu schaffen.

  • Welche Fähigkeiten sind von Führungskräften und Berater gefordert, um ein Management zu fördern, das ethische Fragen berücksichtigt?

Führungskräfte und Berater, die ein Management fördern wollen, das ethische Fragen berücksichtigt, benötigen ein breites skill set an Fähigkeiten und Qualitäten. Dazu gehört eine klare Kommunikation über ethische Fragen, um Bewusstsein und Diskussionen zu fördern. Der Militärstratege Clausewitz meinte einst: „Führung ist die Absorption von Unsicherheit“. Die Führungskräfte müssen ein Vorbild für ethisches Verhalten sein, um eine Kultur der Integrität zu schaffen. Entscheidungsfähigkeit in ethischen Dilemmata ist ebenso wichtig wie die Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven zu verstehen und Konflikte auf ethische Weise zu lösen. Hier sprachen wir bereits über das Ziel des Friedenstiftens innerhalb und außerhalb der Organisation im Republikanischen Ansatz.

  • Wie stehen Sie zu folgender Aussage: “unternehmerischer Erfolg stellt sich nur unter der Beachtung eines ethischen Handelns ein.“

Die Aussage, dass unternehmerischer Erfolg nur unter Berücksichtigung ethischen Handelns erreicht werden kann, ist durchaus relevant und reflektiert eine wichtige Sichtweise. Ethik in der Unternehmensführung spielt eine grundlegende Rolle für langfristigen und nachhaltigen Erfolg. Unternehmen, die ethische Prinzipien in ihre Betriebsabläufe integrieren, neigen dazu, langfristig stabiler zu sein und eine bessere Reputation zu genießen. Das Vertrauen von Kunden, Mitarbeitern und anderen Stakeholdern wird durch ethisches Handeln aufgebaut. Eine positive Reputation und Glaubwürdigkeit können wiederum zu langfristigen Geschäftsbeziehungen führen und den Erfolg eines Unternehmens fördern. Ein ethisches Arbeitsumfeld fördert gerade in Zeiten des Fachkräftemangels das Mitarbeiterengagement und zieht talentierte Fachkräfte an. Unternehmen, die ethische Werte fördern, können ihre Mitarbeiter besser halten und deren Produktivität steigern. All dies sind einschlägie Faktoren für langfristigen Erfolg.

Obwohl kurzfristige Gewinne durch unethisches Verhalten möglich sein können, kann dies langfristig zu Reputationsverlusten, rechtlichen Konsequenzen und Vertrauensverlusten führen. Insgesamt zeigt sich, dass die Integration ethischer Prinzipien ein wesentlicher Bestandteil eines langfristig erfolgreichen Unternehmens ist.

  • Zu guter Letzt eine persönliche Frage: haben Sie eine goldene Regel was das ethische Handeln im Beruf und Privatleben angeht? Und welche Erfahrungen haben Sie bisher damit gemacht?

Der kategorische Imperativ, eine ethische Grundidee von Immanuel Kant, betont die Idee, dass eine Handlung moralisch richtig sein sollte, unabhängig von den persönlichen Neigungen oder Umständen des Einzelnen. Kant formulierte diesen Imperativ auf verschiedene Weisen, wobei eine seiner bekannten Formulierungen lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Der kategorische Imperativ betont die Idee der Universalisierbarkeit ethischer Handlungen. Er fordert, dass eine Handlung nur dann als moralisch richtig angesehen werden kann, wenn sie von allen Menschen in allen vergleichbaren Situationen gleichermaßen ausgeführt werden könnte, ohne dass es zu einem Widerspruch oder einer Unmöglichkeit führt.

Oder in Kürze (natürlich auch unter Berücksichtigung kultureller Unterschiede auf dieser Welt): „Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu“. Mit dieser einfachen Regel kommen Sie m. E. grundsätzlich gut durch das Leben.

  • Ihr persönliches Schlusswort:

Die Integration ethischer Grundsätze in unternehmerische Entscheidungen ist entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens sowie für die Etablierung einer nachhaltigen und vertrauenswürdigen Unternehmenskultur mit vielfältigen positiven Auswirkungen. Der Leitgedanke des nachhaltig denkenden Ehrbaren Kaufmanns, der oft auch im europäischen Diskurs betont wird, kann Unternehmen als Orientierung dienen. Dieser Ansatz zielt darauf ab, nicht nur wirtschaftlichen Erfolg anzustreben, sondern auch auf Integrität, Fairness und soziale Verantwortung zu setzen. Ziel ist die Schaffung einer ausgewogenen und langfristig stabilen Geschäftsumgebung.

Ethisches Verhalten sollte nicht nur innerhalb von Unternehmen, sondern auch außerhalb friedensstiftende Wirkung entfalten. Eine ethische Ausrichtung, die über den rein wirtschaftlichen Kontext hinausgeht, ist auch von erheblicher Bedeutung für die Gesellschaft insgesamt. Ethik bildet eine unverzichtbare Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft, indem sie das Gewissen stärkt und die moralischen Prinzipien unterstützt, die die Grundlage für gerechte Gesetze, Institutionen und das Verhalten der Bürger bilden.

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